Moral – brauchen wir so etwas?

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  • #2611
    Rainer
    Administrator

      Verlust der Tugenden.

      Wen kümmert es, ob wir noch eine Moral haben oder nicht?
      Was ist das für eine Moral die den anderen der Lüge bezichtigt,
      nur um die eigene Lüge zu rechtfertigen?
      “Nettiketten” haben im Internet die Regeln des Anstands ersetzt.
      Ich brauche mein Verhalten nicht der Kritik zu unterziehen – ich
      mache was ich will – das ist meine Freiheit und alle sind mindestens
      so weit von mir entfernt, dass sie mich nicht wirklich erreichen
      können.

      #2623
      Rainer
      Administrator

        Lügen eine Tugend?

        Gedanken zu “Moral” – Fortsetzung 1

        Zur Moral gehören für mich Tugenden, wie z.B. Wahrhaftigkeit, Erlichkeit.
        Was geschieht, wenn diese anwesend bzw. abwesend sind?
        Wahrhaftigkeit -> keine Lügen -> Vertrauen
        Wahrhaftigkeit (NEIN) -> Lüge ist alltäglich (wird aber nicht bemerkt, da gewöhnlich)
        -> vertrau nur dir selber (Zweifel ist hier angebracht)
        -> du kannst nicht mehr differenzieren.
        Du akzeptierst “graduelles Lügen” – Notlügen.

        Welches Menschenbild (“Sittengemälde”) liegt unser Moral zugrunde und ist diese Moral
        ein Teil von ihm?

        #2755
        Rainer
        Administrator

          Moral – natürlich und rechtlich

          Gedanken zur “Moral” – Fortsetzung 2

          Moral besteht aus zwei Teilen:
          1. ein natürlicher Teil, dem Menschen angeboren, sozusagen Teil der “Menschlichkeit”
          (Friss nicht deine eigenen Kinder, schütze die dir Anvertrauten, dir vertrauen…)

          2. ein verrechtlichter Teil, als Regeln umgesetzt (z.B. betrüge nicht – erhalte deinen
          und meinen Besitz…). -> Der Mensch als soziales Wesen!

          Die Moral kommt oft als “Wolf im Schafspelz” daher. Sie sieht aus als wäre sie “Natürlich”,
          ist jedoch das Ergebnis und im Interesse der “Macht”-Struktur.

          #2761
          Andrea
          Teilnehmer

            Moralische Imperative und ihre Auslegung

            Ich stimme den Ausführungen zu “Gedanken zur „Moral“ – Fortsetzung 2” vollständig zu.

            In “Gedanken zu „Moral“ – Fortsetzung 1” fragst Du “Was geschieht, wenn Tugenden, die Dir wichtig sind, anwesend bzw. abwesend sind?” Du nennst “Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit” als Beispiele.
            Teilweise finden diese Tugenden Niederschlag in Rechtsvorschriften, so in § 263 StGB (Betrug). Hier wird die Verletzung der Imperative justiziabel.
            Die Einhaltung moralische Imperative, die nicht in Rechtsvorschriften fixiert sind, werden – so vermute ich- in jeder Gesellschaft und jeder Epoche anders gelebt und anders ausgelegt und bewertet. Manchmal bleiben auch fast nur noch Fassaden davon bestehen. So sehen wir zur Zeit zunehmend die Aushöhlung von Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit.
            Interessant finde ich auch, dass einige Eigenschaften und Verhaltensweisen in der Gesellschaft als unmoralisch gelten können, wie z.B. Habgier und Rücksichtslosigkeit, dass sie aber tatsächlich gefördert, belohnt und bewundert werden. (Allerdings nur, wenn dies im eleganteren Rahmen erfolgen: also Überfall auf Kiosk geht nicht, Spekulationen Nahrungsmitteln oder Aktien der Rüstungsindustrie ist o.k.) Wirtschaftlich erfolgreiche Menschen werden bewundert und ggf. zu Präsidenten eines Landes gewählt.
            Eigentlich finden wir auch den kategorischen Imperativ Immanuel Kants ( „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“) als das grundlegende Prinzip der Ethik richtig. Tatsächlich wollen wir natürlich keine globale Gleichheit der Verhältnisse, denn dies wäre mit riesigen wirtschaftlichen Einbußen verbunden, keine billigen Arbeitskräfte, keine billigen Rohstoffe mehr.

            #2762
            Rainer
            Administrator

              “Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral” (Berthold Brecht: Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny).
              Wie du es beschrieben hast, ist Moral eine idealistische Größe (wer es sich leisten kann ist moralisch!).
              Selbst der “kategorische Imperativ” (Kant) ist ohne Allgemeingültigkeit – er trifft nur zu fürs “Abendland” –
              also für bestimmte Kulturen, Sozialformen und Volkswirtschaften. Wer reich ist kann sich “Moral” leisten –
              ja leistet es sich auch im Hochgefühl seiner Spendabilität, was im ein Schauer von Mitgefühl und persön-
              lichem Wohlgefallen vermittelt. Mitleid tritt aber an die Stelle der Ethik (Schopenhauer) anstelle der
              Vernunft (Kant).Soweit das persönliche Verhältnis des Einzelnen zur Moral.
              Betrachten wir aber den gesellschftlichen Umgang mit ihr, kann ich mich ganz den Ausführungen von Andrea
              (s.o.) anschließen: der Erfolg verzeiht alle Fehlverhaltensweisen, solange diese nicht in den Vordergrund
              treten, aber Wohlstand ist ein sicherer Schild gegen “moralische Bedenken”.

              #2796
              Andrea
              Teilnehmer

                Aus welchem Grund sollte es Moral geben?
                Die Ausführungen kann ich vollständig teilen.
                Bei so viel Übereinstimmung könnten wir nun vielleicht eine neue Fragestellung zu dem Thema beleuchten, z.B. die der Begründung von Moral „Aus welchem Grund sollte es Moral geben?“
                Denn „Moral predigen [ist] eben so leicht als Moral [zu] begründen schwer ist.“ (Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen )
                Und noch zwei weitere schöne Zitate von Nietzsche hierzu:
                1. „Man glaubt mit einem Moralismus ohne religiösen Hintergrund auszukommen: Aber damit ist der Weg zum Nihilismus notwendig.“
                2. “ Naivität, als ob Moral übrig bliebe, wenn der sanktionierende Gott fehlt. Das „Jenseits“ absolut notwendig, wenn der Glaube an Moral aufrechterhalten werden soll.“
                (Nietzsche, Nachgelassene Fragmente. Herbst 1885 – Herbst 1886)
                Sprechen wir tatsächlich nur noch in der überkommenen Sprache der Moral – wie es McIntyre sieht-, während die Begriffen aber inhaltlich entleert sind. Gibt es keinen Inhalt mehr, weil es keinen Grund mehr für Moral gibt?
                Wenn wir seit Nietzsche keine Letztbegründung in Gott oder dem „Guten, Wahren und Schönen“ finden können, bleiben wir über dem Abgrund hängen.
                Sollten wir nun auf die Moral pfeiffen oder sollen wir sie pragmatisch begründen?
                Dann bleibt vielleicht nur noch die Rechtsphilosophie und das Taktgefühl im Alltag je nach Geschmack des Einzelnen.

                Ab hier ist das Thema “Moral – brauchen wir so etwas?” erweitert um das Thema “Aus welchem Grund sollte es Moral geben?

                #2803
                Rainer
                Administrator

                  Moral ist was für Feiertage.

                  Moral wird verkündet, gekauft, wie es uns gefällt –
                  wenn man wieder mit der Nase darauf gestoßen wird, tut es weh wie beim ersten Mal.
                  Moral als Produkt einer ehemals strengen Erziehung, Relikt einer religiösen Vergangenheit.
                  Und Änderungen dieser Vorstellungen sind nur als difuse Gedanken im Kopf, wie eine Art
                  “Nebel von Avalon” (zwischen Metaphysik und “menschlicher Vernunft”).

                  Der Alltag benötigt keine “höhere Weihe” durch die Moral – der ist geprägt durch biederen
                  Pragmatismus.

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